"Ja, es gibt sie noch – die ruhigen, geschichtsträchtigen Viertel, die selbst mancher Stadtbewohner nicht wirklich kennt und die man am besten zu Fuß erkundet. Das Glitzerleben der Shoppingmalls scheint hier weit weg."

Im alten Portugiesenviertel
Am besten erst einmal eine Stärkung. Etwa im Thanusingha Bakery House in der Thetsaban Sai 1 Road, wo bereits seit fünf Generationen „Kanom Farang Kudeejeen“ gebacken wird. Das ist ein Muffin ähnlicher, mit Rosinen gepickter Kuchen, der von den Portugiesen einst ins Land gebracht wurde. Der Name stammt vom Kudeejeen-Viertel, welches sich auf der Thonburi-Seite zwischen dem Khlong Bangkok Yai und der Santa-Cruz-Kirche erstreckt.
Die „chinesische Mönchszelle“
Wer mit der Fähre vom Yodpiman Pier den Chao Praya überquert, kann das christliche Gotteshaus mit dem markanten Kuppelturm schon von weitem sehen. „Wat Kudi Jeen“, „chinesische Mönchszelle“, wird es von den Thais genannt, obwohl die vor gut 100 Jahren erbaute Kirche an jener Stelle steht, wo sich bereits 1769 portugiesische Händler niedergelassen hatten. Und von ihnen stammen nicht nur der christliche Glaube und das Kuchenrezept. Auch so mancher Einheimischer von Kudeejeen kann seinen Stammbaum auf die südeuropäischen Einwanderer zurückführen. Andere Bewohner wiederum haben chinesische oder malaysische Wurzeln, was das Viertel zu einem Schmelztiegel der Kulturen macht.
Eine Stärkung mit dem Kanom Farang Kedeejeen
Dabei geht es meist eher entspannt zu, wenn man durch die Gassen schlendert, vorbei an urigen Holzhäusern und vollbehangenen Wäscheständern, an schwatzenden Frauen und spielenden Kindern. Manche Wand wurde von Künstlern aufgehübscht. Das hektische Bangkok scheint weit weg zu sein, wenn man beispielsweise im chinesischen Kuan-An-Keng-Tempel steht, ein Räucherstäbchen entzündet und die mystische Stimmung genießt, Wer mehr über das Viertel wissen möchte, kann im Baan Kudichin Museum vorbei schauen, das seit 2017 eine Vielzahl von Erinnerungsstücken präsentiert und im Café müde Besucher wieder fit macht – natürlich auch mit dem legendären „Kanom Farang Kudeejeen“.
Schrott und Streetart in Talad Noi
Geschäfte voller Eisenschrott, bunt bemalte Wände und rostende Autos am Straßenrand – es braucht offensichtlich nicht viel, um ein Viertel hip zu machen. Denn eigentlich ist „Talad Noi“ ein völlig unspektakuläres Wohngebiet.
Ein beliebtes Viertel für junge Hipster und Backpacker
Eingequetscht zwischen dem Chao-Praya-Fluss und der weltberühmten Yaowarat Road im Herzen von Chinatown, ziehen die engen Gassen vor allem junge Hipster und Backpacker an. Sie schießen Fotos vor einem ausgemusterten Fiat und Selfies vor kitschiger Streetart. Oder sie bestaunen bärtige Götter in chinesischen Tempeln. „Es begann, als eine Gruppe von Akademikern unsere Gemeinschaft vor fünf Jahren besuchte. Sie sahen das Potential. Denn wir haben viele kulturelle und historische Stätten, die bewahrt und touristisch beworben werden sollten“, erzählt Rungchan Chalermviriya bei einem Interview mit der Bangkok Post. Sie ist Mitbegründerin der Gruppe „Menschen lieben Talad Noi“ und führt häufig Touristen durch die Gassen.
Der einst chinesische Einfluss ist noch heute sichtbar
Und erzählt auch gerne über die Geschichte des Quartiers. Angefangen von der Zeit, als sich hier portugiesische Händler nach dem Fall von Ayutthaya nieder ließen und 1769 am Fluss den Vorgängerbau der hübschen Kalawar-Kirche errichteten. Es waren jedoch chinesische Einwanderer, welche dem Bezirk am Fluss ihr Gepräge gaben und es zu einem Viertel voller Geschäfte machten. Der Name „Talad Noi“, „Kleiner Markt“, erinnert noch daran. Dass dadurch mancher reich wurde, ist im „So Heng Tai Mansion“ zu bewundern, einem typisch chinesischen Hofhaus aus dem frühen 19. Jh. und noch immer im Besitz des gleichen Familenclans. Bei den verblassten Wandbildern und den typischen Walmdächern wähnt man sich eher am Drehort zu einem alten China-Schinken. Dass viele der chinesischen Nachfahren heute ihr Geld mit Ersatzteilen für Autos verdienen, ist an den vielen Werkstätten zu sehen.
Lokale Lerckereien und Selfie Kulissen
Aber natürlich gibt es auch eine lokale Spezialität von Talad Noi. Die heißt „Ba Chang“ und besteht aus Klebereis-Bällchen mit Füllung, die in Lotosblättern eingewickelt und gedämpft werden. Am besten schmecken sie an den Ständen des Morgenmarktes von Talad Noi unweit der Soi San Chao Rong Kuak. In der schmalen Gasse ist auch die Götterwelt gut vertreten: Dort liegt der namensgebende Tempel San Chao Rong Kuak, dessen in Rot eingehüllte Fassade als eine weitere beliebte Selfie-Kulisse dient. Bester Zugang zum Talad-Noi-Viertel ist die Soi Wanit 2 vor dem River City.

Dieser Artikel wurde geschrieben von M. Petrich im Auftrag von neusta Grafenstein.