"Kilometer um Kilometer fahren wir auf den weiten Straßen im Yukon, bevor wir urplötzlich abbremsen müssen: Eine Bisonherde kreuzt unseren Weg - näher kann man Kanadas Wildnis kaum sein."
Spüren, was Kanadas “endlose Weite” wirklich bedeutet
Bereits seit einigen Stunden sind wir auf dem Highway unterwegs und die Straße zieht sich endlos weiter Richtung Norden: Kanadas Weitläufigkeit wird häufig unterschätzt – so auch von uns. Was auf der Karte nach einem kurzen Trip aussieht, stellt sich auf den Straßen mit Tempolimit 100 km/h als Tagestour heraus: Die Landschaft bietet ein Bild von tiefen Wäldern, zwischen denen ein einziger Highway hindurch führt, als hätte man prompt eine Linie Teer durch das endlose Grün gezogen. Nach fünf oder vielleicht sechs Stunden Fahrt erreichen wir endlich die magische Grenze, die uns wissen lässt: Wir sind in der Provinz Yukon angekommen. Was ein einfaches Straßenschild doch für eine Freude auslösen kann!
Wild Wild West
Ohne mitten im Wald stehen zu müssen merkt man unweigerlich: Die Bevölkerungsdichte ist hier im hohen Norden Kanadas noch geringer, als im übrigen Land. Ab und an kommen wir an einer Tankstelle vorbei, an der Country-Musik läuft und der Tankwart einen Cowboyhut trägt. Vielleicht tanken wir hier noch einmal voll, denn wir entdecken ein Schild, das uns darauf hinweist “No Services next 226 km”.
Safari mal anders: die kanadischen Big Five
Neben der unglaublichen Landschaft ist Kanada auch für seine etwas andere Tierwelt bekannt und kann mit den berühmten afrikanischen Big 5 ohne Probleme mithalten. Zu den kanadischen „Großen 5“ zählen Bisons, Schwarzbären, Elche, Eisbären und Belugas. Mit einem der Tiere machen wir direkt Bekanntschaft: Schon von Weitem sehen wir auf unserem Weg etwas großes Braunes, das sich gemächlich über die Straße bewegt. Wir bremsen ab und stehen mit noch vier weiteren Autos still: Eine Bisonherde kreuzt unseren Weg – einfach so. Ohne Schranke, ohne Ampel, ohne Warnung.
Dem Naturschauspiel hautnah
Die mächtigen Tiere sehen beeindruckend, aber auch respekteinflößend aus. Daher bleiben wir lieber im Wagen sitzen und beobachten das Schauspiel etwa zehn Minuten lang, bis die gesamte Herde die Straßenseite gewechselt hat. Ich spüre wie mich ein Glücksgefühl überrollt: Damit haben wir bereits einen der kanadischen Big 5 gesehen! Selbstverständlich reicht uns das aber nicht! Wir halten Ausschau nach zwei weiteren der Big 5: dem Schwarzbären und dem Elch.
Bärenzählung auf dem Highway
Lange müssen wir nicht warten und kommen aus dem Staunen nicht heraus: Gerade noch fuhren wir nach der Bisonherde weiter Richtung Westen, bis ich plötzlich eine Bewegung am Straßenrand bemerke und laut “Stopp!” rufe. Wir halten an und tatsächlich: Eine Schwarzbärmutter sucht zusammen mit ihrem Kleinen nach Futter in den Sträuchern am Straßenrand. So ein Glück! Aber Vorsicht: Besonders wenn Bären mit ihren Jungtieren zusammen sind, sind die auf der Hut und nehmen Menschen nicht selten als Gefahr wahr. Keinesfalls wollen wir die Kräfte der Bären-Mama zu spüren bekommen und beobachten den tollpatschigen kleinen Schwarzbären daher nur kurz, bevor wir unseren Wagen wieder langsam in Gang setzen.
Vom kanadischen Safari-Feeling gepackt
Wir wollen mehr davon: Gespannt halte ich meinen Blick auf den Straßenrand gerichtet und warte darauf, dass sich wieder etwas bewegt. Tatsächlich zählen wir allein auf der heutigen Fahrt fünf Schwarzbären – die Elche allerdings scheinen sich vor uns zu verstecken.
Unterwegs im größten Nationalpark
Kanadas Wildnis lässt sich natürlich am besten spüren, wenn man sich mitten hinein stürzt – und genau das tun wir jetzt! Die vielen Nationalparks laden zum Wandern ein. Und auch wenn man nicht unbedingt der Typ dazu ist: Hier kommt man einfach nicht drum herum – und das ist auch gut so! Wo sich in der Provinz British Columbia ein Nationalpark an den nächsten reiht, gibt es im Yukon zwar nicht viele, aber den größten Nationalpark Kanadas: Den Kluane Nationalpark im Südwesten des Yukon, an der Grenze zu Alaska. Hier wimmelt es nur so von purer Wildnis!
Wandern wie die Könige
Eine für sein außerordentlich schönes Panorama bekannte Wanderung ist diejenige zum King’s Throne Peak – dem Königsthron. Wir packen unsere Rucksäcke mit genügend Wasser, Proviant und einer Bärenglocke und machen uns in den frühen Morgenstunden auf den Weg, denn wir möchten heute als erstes den Thron erklimmen. Erklimmen ist genau das richtige Wort dafür, denn es geht steil bergauf. Meter um Meter. Je höher wir wandern, desto schöner wird der Blick um uns herum. Der Wanderweg führt direkt am Kathleen Lake entlang. Immer wieder halten wir an und lassen unseren Blick über den See schweifen. Nach über 1.000 Höhenmetern, können wir den King’s Throne Peak erkennen: Die Form des Gipfels sieht tatsächlich aus wie ein Königsstuhl! Während unserer Pause ‚thronen‘ wir über dem Yukon. Erschöpft, aber glücklich genießen wir die königliche Aussicht.

Paddeln, durchatmen und genießen
Nicht nur zu Fuß lässt sich die ursprüngliche Natur auf Kanada Rundreise spüren, sondern auch auf dem Wasser: Der Yukon River ist der wohl bekannteste Fluss für eine ausgiebige Kanufahrt. Also los: Kanu gemietet, Schwimmweste an und das Paddel fest im Griff. Schneller als wir gucken können sitzen wir in unserem knallroten Kanu mit einer Karte in der Hand, die uns den Weg zeigen soll. Wir paddeln gemütlich den Yukon River entlang und genießen die Ruhe, die man hier überall spürt. Am Himmel erkenne ich einen Adler über unseren Köpfen kreisen und muss unweigerlich schmunzeln. Genau so habe ich mir unser Kanada Erlebnis vorgestellt: Frei, ursprünglich und wunderschön!